Weniger arbeiten, mehr leben – Kompass Neue Arbeitswelt
Was Beschäftigte in Deutschland bewegt: XING und Statista präsentieren ausführliche (weitere) Ergebnisse der Arbeitnehmerstudie „Kompass Neue Arbeitswelt“
• Weniger arbeiten, mehr leben: Mehrheit möchte in der Woche fünf Stunden weniger arbeiten
• Wissensarbeiter: Verzicht auf Gehalt für Arbeitsatmosphäre und Selbstbestimmung
Wie erleben die Berufstätigen in Deutschland Führung? Was ist ihnen wichtiger, Selbstbestimmung oder Sicherheit? Und halten deutsche Arbeitnehmer ihre Tätigkeit eigentlich für sinnvoll? Rechtzeitig zum „Tag der Arbeit“ am 1. Mai stellte XING die ausführlichen Ergebnisse (einen Vorbericht gab es bereits bei uns) der repräsentativen Arbeitnehmerstudie „Kompass Neue Arbeitswelt“ vor. Das führende berufliche Netzwerk im deutschsprachigen Raum wollte wissen, wie deutsche Arbeitnehmer die Gegenwart ihres Arbeitslebens in Zeiten tiefgreifender Veränderungen beurteilen und wie weit ihr Arbeitsalltag noch von den Idealen des „New Work“ entfernt ist. Das Ergebnis: Der Prozess ist in Gang gesetzt, aber es gibt noch viel zu tun.
Weniger arbeiten, mehr leben: Was für das Arbeitsumfeld wichtig ist
In Zeiten von zunehmender Digitalisierung, Fachkräftemangel und einem Wertewandel, der klassische Anreizsysteme wie Gehalt und Titel zugunsten „weicher“ Faktoren in den Hintergrund treten lässt, bieten sich den Beschäftigten viele Freiräume. Doch auch Risiken nehmen zu. Die Studienergebnisse zeigen, dass Sicherheit ein Grundbedürfnis der deutschen Arbeitnehmer ist. Besonders wichtig ist dieser Aspekt den Berufstätigen, die eine pessimistische Einschätzung der eigenen Attraktivität für den Arbeitsmarkt haben.
Neben dem Arbeitsumfeld spielen Vorgesetzte, Arbeitszeit und finanzielle Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle für die Zufriedenheit mit der beruflichen Situation. Gut die Hälfte der Arbeitnehmer bewertet ihren Vorgesetzten durchweg positiv. Pluspunkte sammeln die Chefs vor allem bei der Kommunikation (55 % bewerten diese sehr gut oder gut), in Sachen Unterstützung und Erreichbarkeit (54 %) und beim Thema Wertschätzung (52 %). Im Kollegenkreis ist Vielfalt gefragt: Nahezu einig (nur 9 % der Befragten sehen ein Problem) sind sich die Beschäftigen in Deutschland darin, dass es eine Bereicherung ist, mit Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammen zu arbeiten. Mehr als die Hälfte der Befragten arbeitet direkt mit Kollegen aus anderen Kulturkreisen zusammen.
Ihre finanzielle Situation betrachten die Arbeitnehmer in Deutschland deutlich differenzierter. Zwar sagt annähernd die Hälfte (46 %), dass sie von ihrem Gehalt gut leben kann und vier von zehn Befragten halten ihr Gehalt für angemessen. Allerdings glaubt nicht einmal jeder Dritte (29 %), vom eigenen Gehalt allein eine Familie ernähren zu können. Bei den Frauen liegt dieser Wert sogar nur bei 16 %. Einen Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen halten die Befragten für eher unwahrscheinlich. Auf die Frage, ob sie glauben, dass ihr Arbeitgeber Frauen und Männern das gleiche Gehalt zahlt, sagen nur 15 %, dass Frauen vermutlich geringer entlohnt werden als Männer. Die Hälfte (49 %) schätzt, dass Männer und Frauen in ihrem Unternehmen gleich viel verdienen, wobei Männer häufiger dieser Meinung sind als Frauen (55 % vs. 42 %).
Die Mehrheit der Befragten arbeitet mindestens 40 Stunden pro Woche (53 %). Befragt nach ihrer Wunscharbeitszeit würde die Mehrzahl gerne etwa fünf Stunden pro Woche weniger arbeiten.
Tausche Gehalt gegen Arbeitsatmosphäre, Selbstbestimmung und Sinnhaftigkeit
Der so genannte „Wissensarbeiter“ spielt eine entscheidende Rolle für die Neue Arbeitswelt und die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen. Zu dieser Gruppe zählt die Studie Arbeitnehmer mit akademischem Abschluss, einem überdurchschnittlichen Verdienst (von 3.000 Euro brutto und mehr), die zum Beispiel in der Kreativwirtschaft, aber auch in der höheren Verwaltung oder Wissenschaft arbeiten. Dieses Segment ist anspruchsvoller und progressiver als die anderen Befragten, was Arbeitsbedingungen und -organisation angeht.
Während insgesamt 44 % der Arbeitnehmer auf Flexibilität in der Arbeitsgestaltung zugunsten eines höheren Gehalts verzichten würden, käme dies für Wissensarbeiter überhaupt nicht in Frage. Autonomes Arbeiten und eine flexible Gestaltung ihrer Arbeit sind ihnen überdurchschnittlich wichtig, das Sicherheitsbedürfnis im Gegenzug deutlich weniger ausgeprägt. Sie unterscheiden sich in ihren Bedürfnissen und Ansprüchen an ihr Arbeitsumfeld deutlich von den restlichen Befragten.
Betrachtet man die Arbeitsatmosphäre und Erfüllung durch die Arbeit, verfestigt sich dieses Bild. Zwar sagt insgesamt jeder Dritte, dass eine positive Arbeitsatmosphäre ein niedrigeres Gehalt rechtfertigen würde, die Wissensarbeiter sind jedoch tendenziell stärker dazu bereit, finanzielle Einbußen in Kauf zu nehmen, wenn die Arbeitsatmosphäre stimmt (39 % vs. 32 % gesamt) beziehungsweise die Arbeit sie ausfüllt (35 % vs. 29 % gesamt). Den Wissensarbeitern ist außerdem überproportional wichtig, dass die Produkte oder Leistungen des Arbeitgebers zum Gemeinwohl beitragen und sie sich mit dem Unternehmen identifizieren können. Der Gap zwischen Bedeutung und Erfüllungsgrad ist in dieser Hinsicht noch größer als bei anderen Arbeitnehmern.
Thomas Vollmoeller, CEO der XING AG: „Wissensarbeiter sind anspruchsvolle Mitarbeiter. Sie sind gleichzeitig von zentraler Bedeutung, was die Innovationsfähigkeit der Unternehmen angeht. Um sie ans Unternehmen zu binden, sind Freiräume, Flexibilität und Atmosphäre wichtig. Um diese Aspekte noch stärker als bisher anbieten zu können, sind auch zeitgemäße politische Rahmenbedingungen erforderlich. Pointiert gesagt, sind Begriffe wie Normalarbeitsverhältnis, Telearbeit und Bildschirmarbeitsverordnung nicht geeignet, den Erwartungen der Wissensarbeiter gerecht zu werden.“
Für die repräsentative Studie hat das Hamburger Meinungsforschungsinstitut Statista im März und April 2015 4.000 Beschäftigte aller Berufsklassen befragt. Erste Ergebnisse zu Themenfeldern wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Hierarchie und Arbeitszeiten-Gestaltung hatte XING bereits am 20. April dieses Jahres veröffentlicht.
Im Rahmen der Studie wurden unterschiedliche Arbeitnehmer-Typen definiert und fünf relevante Segmente gebildet:
• Die „Flexiblen“ (Teilzeitkräfte, Projektarbeiter u. Ä.): überwiegend jüngere Frauen mit einer durchschnittlichen Ausbildung, einem meist festen Einkommen von unter 2.000 Euro (brutto), in deren Berufsfeld Home Office oft möglich ist. Ihre Arbeitszeit beträgt zwischen 30 und 40 Stunden in der Woche.
• Die „Wissensarbeiter“: Befragte mit akademischem Abschluss, einem überdurchschnittlichen Verdienst von 3.000 Euro (brutto) und mehr, die in der Kreativwirtschaft, höheren Verwaltung oder Wissenschaft arbeiten. Die Arbeitszeit beträgt selten exakt 40 Stunden in der Woche.
• Die „Gehaltsoptimierer“: überwiegend jüngere Männer mit Berufsausbildung, die selten nach Tarifvertrag beschäftigt sind und in den Bereichen Produktion, Finanzen oder Handel arbeiten. Ihre wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden oder mehr.
• „Soziale Berufe“: Beschäftigte mit Berufsausbildung und einem oft variablen Gehalt zwischen 2.000 und 3.000 Euro (brutto). Sie arbeiten in den Berufsfeldern Gesundheit, Soziales und Lehre und sind oft in Schichtarbeit tätig.
• „Blue Collar“: Arbeitnehmer mit Ausbildung, die oft nach Tarifvertrag beschäftigt sind und auf dem Bau, im KFZ- oder Gastgewerbe arbeiten. Viele von ihnen haben Kinder und arbeiten unter 40 Stunden in der Woche.
Weitere Informationen sowie die ausführliche Studie stehen auf dem Themenportal XING spielraum zum Abruf bereit.
Besonders interessant finde die Einstellungen der „Wissensarbeiter“ im Bezug auf ihren Arbeitsalltag. In letzter Zeit hab ich mich intensiver mit dem Thema Arbeitsalltag in Deutschland beschäftigt. Einen ansprechenden Überblick dazu findet man auf dieser Seite:
http://www.stepstone.de/arbeitsalltag-in-deutschland/