Mal wieder gerankt – Interview mit Julian Ziesing von Potentialpark

Eine Woche Grippe liegt hinter mir und daher gilt es einiges aufzuholen. Den Anfang mache ich mit dem Interview mit Julian Ziesing, Studienleiter und Partner bei Potialpark, zur aktuellen Online Talent Communications (OTaC) Studie 2014. Jo Diercks hatte Julian Zeising schon in seinem Artikel zum gläsernen Arbeitgeber im Interview. Ich hoffe, ich kann noch einige neue Erkenntnisse hinterfragen. Wie immer kritisch aber interessant hat sich auch Henner Knabenreich kurz dazu ausgelassen. Ebenso haben Dominik A. Hahn von der Allianz und Marcus K. Reif von EY zur Award-Verleihung einige spannende Details zusammengestellt.

 

clip_image008

 

In diesem Jahr waren 147 Arbeitgeber aus Deutschland im OTaC-Ranking dabei. Wie werden die Arbeitgeber jedes Jahr für das Ranking ausgewählt?

Wir nehmen die aktivsten und attraktivsten Arbeitgeber in das Ranking eines Landes oder einer Region auf. Das sind Unternehmen, die in ihren Branchen führend sind, die bei Jobsuchern beliebt sind, die von anderen Arbeitgebern als Benchmark genannt werden oder die online einfach weit fortgeschritten sind.

Unter den Top30 der kommunikativsten Unternehmen fehlen in meinen Augen Unternehmen wie Deutsche Bahn, Krones, Deutsche Bundeswehr oder Audi. Dafür sind andere Unternehmen oben dabei, die ich dort nicht erwarten würde. Wie haben Sie daher in diesem Jahr den Score konkret ermittelt? Gab es signifikante Änderungen zum letzten Jahr? Wir gehen ja nicht nach dem subjektiven Empfinden. Sondern wir nutzen eine Liste von über 320 Kriterien, die 10 Online-Kanäle von Karrierewebseite und Onlinebewerbung über Social Media bis hin zu mobilen Kanälen abdecken.

Diese Kriterien ermitteln und aktualisieren wir jedes Jahr in Fokusgruppen mit Jobsuchern. Dann lassen wir sie in einer weltweiten, repräsentativen Umfrage mit Studenten und Absolventen gewichten. Schließlich schauen wir, welche der über 100 Unternehmen pro Land diese Kriterien erfüllen. Daraus ergeben sich die Rankings, aber auch Einblicke in die Stärken und Schwächen jedes Unternehmens, Best-Practice-Beispiele und generelle Trends.

 

image

Fresenius und Deutsche Telekom liegen beide erneut mit großem Abstand im OTaC-Ranking vorne. Für mich insbesondere bei Fresenius sehr überraschend. Ich sehe hier gute Ansätze, aber der hohe Score überrascht mich schon. Was haben daher beide Unternehmen in Ihren Augen bei der Online Talent Communication richtig gemacht?

Manche Arbeitgeber haben zwar eine Online-Präsenz, die optisch viel hermacht, aber nicht alle Informationen bietet, die Bewerbern wichtig sind. Andere wiederum treffen vielleicht nicht Ihren oder meinen persönlichen Geschmack in Punkto Design, aber geben Studenten und Absolventen die Orientierung, Einblicke, Kontaktmöglichkeiten, Informationen in den Stellenanzeigen, Bewerbungs-Wege, Interaktion auf verschiedenen sozialen Netzwerken und mobilen Zugang, den sie sich wünschen. Diese Unternehmen zeichnen wir aus.

Fresenius und Allianz, ebenso wie die Deutsche Telekom und andere Unternehmen in den Top 10, sind breit aufgestellt, in den richtigen Kanälen präsent und haben viele ihrer Inhalte vom Bewerber her gedacht.

 

image

Sie haben auch ermittelt, dass erst 20 Prozent der untersuchten Arbeitgeber eine Karriereblog betreiben. Wurden hierbei nur reine Karriere- oder auch Corporate Blogs mit Karrierethemen, wie bspw. der Daimler Blog, berücksichtigt? Und warum nutzen aus Ihrer Sicht bisher so viele Unternehmen die Chance einer verbesserten HR-Kommunikation über einen eigenen Blog nicht?

Wir sehen das mit den Augen der Jobsucher: Kann ich erkennen, dass dieser Blog mir bei meiner Suche nach einer Karriere weiterhilft? Oder muss man erst ein paar Beiträge durchscrollen, um das festzustellen? Ein Aufwand, den leider die wenigsten Leser leisten. Die Zielgruppe möchte auf einen Blick den Wert einer Seite für ihre Fragen, Anliegen und ihre Jobsuche erkennen. Das gilt ebenso für Facebook-Seiten, die sich Unternehmenskommunikation und HR teilen.

Die andere Frage ist leicht beantwortet: Ressourcen. Die größte Herausforderung für Personaler ist nicht zu verstehen, was ein Blog kann. Das wissen viele längst. Sondern ihr Unternehmen zu überzeugen, ihnen die Mittel, die Freiheit und die Unterstützung zu geben, die sie brauchen, um in Zukunft im Recruiting noch wettbewerbsfähig zu bleiben.

Es ist ja so: Man kann nicht innerhalb eines Jahres eine Arbeitgebermarke samt umfassender Onlinepräsenz „auf Vordermann bringen“. Und selbst wenn man es könnte, stünde man ein Jahr später schon wieder vor neuen technischen Entwicklungen oder Veränderungen im Verhalten von Jobsuchern. Auch die anderen stehen ja nicht still. Der Blog ist da nur ein Symptom von vielen. Wenn HR nicht die Signale sendet, dass die Zukunft des Unternehmens von den Möglichkeiten abhängt, mit Veränderungen in der Onlinekommunikation Schritt zu halten, dann tut es leider niemand. Diese Vorarbeit haben die Gewinner in den OTaC-Rankings in den letzten Jahren bereits getan. Dafür hoffen wir, mit unseren Studien auch die Argumente liefern zu können.

Unternehmen, wie Otto, Continental, TÜV Nord, Deloitte, Bertrandt oder ProSiebenSat.1 sind im OTaC-Ranking (wieder) nach oben gekommen. Andere dagegen, wie BMW, BASF oder Bosch wieder abgerutscht. In meiner persönlichen Wahrnehmung haben diese und viele andere Unternehmen im letzten Jahr aber nicht schlechter als die führenden Companies online bzw. im Social Web kommuniziert. Wie erklären Sie sich diese gegensätzliche Entwicklung bei den Ergebnissen in diesem Jahr? Und beim Social Media Ranking steht neben Fresenius auf Platz 2 Allianz, auch für mich überraschend, mit weitem Abstand ganz vorne. Was hat insbesondere die Allianz insbesondere bei der Social Media HR-Kommunikation wieder anscheinend besser gemacht als die anderen?

Sie nutzen den richtigen Mix. Sie haben zum Beispiel erkannt, dass man nicht alle Chips auf eine Karte setzen sollte. Jeden Tag könnte Facebook neue Regeln einführen, Bildformate einschränken, Gebühren für Seiten einführen, die Algorithmen umprogrammieren, obwohl ohnehin schon niemand alle Beiträge einer Seite sieht… Ähnliches gilt für alle anderen Kanäle, die das Unternehmen nicht kontrolliert.

 

OTac Ranking

 

Es lohnt sich auch, sich breiter aufzustellen, weil Jobsucher heute Unternehmen auf mehr Kanälen als je zuvor erwarten. Bereits über 70% der Befragten in Deutschland nennen Facebook und Xing als Kanäle, auf denen Arbeitgeber Flagge zeigen sollten, und daneben auch Blogs, Twitter und YouTube. Google+ und Kununu tauchen hingegen nicht oder noch nicht deutlich auf dem Radar der Jobsucher auf.

Darüber hinaus reicht es nicht, nur präsent zu sein. Ganz oder gar nicht – man sollte bei jedem Kanal auch wissen, wozu er gut ist, und ihn dementsprechend bespielen. Bei Facebook liegt der Schwerpunkt eher auf der Interaktion in der Timeline, während sich bei Xing und LinkedIn immer mehr Studenten vorstellen können, ihr Profil für Bewerbungen zu nutzen. Die jeweiligen Stärken und Potentiale zu auszuschöpfen, das ist der Schlüssel. Hier ist die Allianz ein gutes Beispiel.

Sie sprechen bei den Jobsuchenden vom Ansatz des „Probe fahrens“ bei der Suche nach relevanten Karriereinformationen auf Webseiten. Was genau verstehen Sie darunter? Und können Sie uns ein oder zwei Benchmarkingbeispiele zeigen?

Vereinfacht gesagt: Als Bewerber der Generation Y weiß ich alles über das Internet, aber wenig darüber, was ich eigentlich für einen Job suche. Ich suche etwas, das zu mir passt, das Spaß macht, wo ich meine Stärken ausspielen und mich entwickeln kann, wobei mir aber auch noch Zeit zum Leben, für Freunde und Familie bleibt. Wo und wie das geht, das soll mir der Arbeitgeber zeigen. Dazu muss mich der Arbeitgeber erst mal fragen, wer ich bin und wo meine Interessen, Fähigkeiten und Präferenzen liegen. Oder er muss mir so detaillierte Einblicke in die verschiedenen Bereiche und Karrierewege geben, dass ich sagen kann: Aha, hier, in Abteilung X, Funktion Y oder Rolle Z passe ich rein.

Beispiele sind hier nicht nur die Matching- und Assessment-Tools, wie etwa der Karriere-Matcher der Deutschen Telekom, der mir wie beim Blick in den Spiegel einiges über mich verrät und mir zusätzlich noch passende Stellen empfiehlt; sondern auch spezifische Informationen und Testimonials in den Stellenanzeigen, wie bei Telefonica, oder Einblicke in die Karrierewege und die interne Mobilität wie bei Johnson & Johnson. Bewerber möchten konkreter wissen, welcher Einstieg zu ihnen passt, wie er sich anfühlt und wohin er führt.

Außerdem kann es sie inspirieren, wenn man ihnen zeigt: Es gibt viele Bereiche, in denen wir jemanden wie dich brauchen. Bleibe nicht bei den Stereotypen, dass eine Chemikerin unbedingt mit Chemie arbeiten muss und als Eventmanagerin oder für den Vertrieb nicht in Frage kommt. Ebenso sollte man Bewerbern die Angst nehmen, dass sie sich mit ihrem ersten Job bis zur Rente festlegen, sondern zeigen, wie vielfältig die Möglichkeiten innerhalb eines Unternehmens sein können.

 

clip_image002

 

 

clip_image004

 

clip_image006

 

Jetzt könnte man sagen, „das ist doch nicht unsere Aufgabe, den Bewerbern die Entscheidung abzunehmen“. Ich denke aber, es ist ein Zeichen des Vertrauens von Bewerbern in Richtung Unternehmen, dass sie von ihnen Hilfe bei der Suche nach der passenden Karriere erwarten. Und Unternehmen sollten sich überlegen, ob sie selber für mehr Transparenz und Orientierung sorgen, oder ob sie es in Zukunft unabhängigen Bewertungsplattformen überlassen möchten.

Mobil suchen, zu Hause bewerben heisst eine der Thesen ihrer Studie. Was können wir daher in der Zukunft bei der (mobilen) Kontaktanbahnung von Bewerbern und Unternehmen noch erwarten?

Wir sehen zwei interessante Entwicklungen: Unternehmen, die Applicant Tracking Systems „von der Stange“ implementieren, mit wenig bis gar keiner Anpassungsmöglichkeit. Und andere Unternehmen, die an innovativeren Lösungen für die Candidate Experience arbeiten. Dazu gehören mobile Bewerbungen, die man auf dem Handy anfangen und zu Hause am Laptop oder Desktop-Computer abschicken kann. Aber auch Kurzbewerbungen über das Parsing von Profilen auf LinkedIn und Xing sind vielversprechend.

Hier könnte ja eine Zweiklassengesellschaft entstehen: Unternehmen, die es mit fortgeschrittenen technischen Lösungen, vom Bewerber her gedacht, ihren Kandidaten einfach machen, und denen, die auf ihren herkömmlichen, vom Recruiting her gedachten, starren Systemen verharren. Die Schere geht hier weit auseinander, denn fast 50% der Befragten in Deutschland haben schon einmal eine Onlinebewerbung wegen zu großer Frustration abgebrochen. Gerade bei schwer zu besetzenden Stellen darf man nicht davon ausgehen, dass Bewerber in Zukunft noch alles mitmachen.

Vielen Dank für das Interview!

Leave A Comment