Klassische Medien vs. Social Media

Durch den PR-Blogger Klaus Eck bin ich auf den Vortrag Shift Happens! von Richard Gutjahr aufmerksam geworden, den er jüngst bei einem Treffen des Social Media Clubs München gehalten hat.

Das Thema ist nicht neu, aber immer wieder Teil zahlreicher Diskussion um die Medienlandschaft. Haben die klassischen Medien den Absprung ins Zeitalter Web 2.0 verpasst? Gutjahr sagt klar: „Die klassischen Medien haben die Wucht der neuen Technologien unterschätzt“.  Diese These ist sicherlich richtig. Gutjahr ist überzeugt, dass die derzeitige Diskussion um die Medien nicht neu ist und alte Fehler wiederholt werden. In den 90er Jahren wurde das Internet als reines Textmedium genutzt – mit 56K Modems wohl auch nicht anders möglich. Mit der Einführung von ISDN wurden dann die Voraussetzungen geschaffen, größere Datenmengen zu verschicken. Gleichzeitig war die Hochzeit der Musiktauschbörsen angebrochen. Mit Einführung von UMTS und DSL kam dann das Bewegtbild auf. Youtube ist heute wohl nicht mehr wegzudenken. Überall werden Videos rauf- oder runtergeladen (der Generation Upload sei Dank J). Und dank der Vernetzung verschiedenster Social Media Tools und Netze werden Videos nun auch überall eingebunden. Sei es in Blogs oder beispielsweise bei facebook (auch wenn dies dort noch händisch passieren muss. Man vermisst hier einen Share-Button :-)).

Dass das Internet sich als (erste) Informationsquelle in den letzten Jahren etabliert hat und den Printmedien den Rang abläuft ist unbestritten. Mittlerweile nutzen auf die Gesamtbevölkerung bezogen 66 % der Deutschen (ab 14 Jahren) das Internet. Zum Vergleich: 1997 waren es noch 6,5 %. (Hierbei ist sicherlich auch die Verteilung nach Altersgruppen, Bildungsstand etc. relevant, würde an dieser Stelle aber zu weit führen. Der Vergleich der Zahlen bildet aber deutlich den Wandel innerhalb der letzten 12 Jahre ab.)

Insbesondere die Gruppe der 20-29 Jährigen bildet die Entwicklungen der letzten Jahre deutlich ab. Holger Schmidt hat dies bereits anhand einer Grafik von Allensbach in seinem Bericht Der Medienwandel beschleunigt sich dargestellt.

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Aber das das Internet die klassischen Medien kurz- oder mittelfristig verdängen wird, ist sicherlich nicht der Fall. Aus heutiger Sicht kann ich mir auch nicht vorstellen, dass dies jemals der Fall sein wird. Aber dies wird sich zeigen. Gerade die Gruppe der 20-29 Jährigen nutzt zwar verstärkt das Internet um sich einen Überblick über die Nachrichtenlage zu verschaffen, aber für Hintergrundinformationen hat Print durchaus noch seine Berechtigung.

Qualitätsjournalismus und qualitative Recherche werden immer Zeit in Anspruch nehmen. Hintergrundwissen wird in Echtzeit in 140 Zeichen niemals vermittelt werden können. Um beispielsweise via Youtube verbreitete Videos über die aktuellen Geschehnisse im Iran zu verifizieren, muss nach wie vor ein Reporter vor Ort sein. (Hintergrund-)Reportagen benötigen physische Präsenz und aufwendige Recherche. Die bei MEEDIA vorgestellte Grafik, hier am Beispiel der überregionalen Tageszeitungen, verdeutlicht, dass auch im Printbereich heute durchaus noch Wachstum möglich ist. Denn nach wie vor haben die klassischen Medien einen Vertrauensvorsprung. Print_MA_2009_II_Ueberregionale_Zeitungen

Problematisch ist also weniger die Nachfrage nach qualitativem Journalismus. Das Problem ist, das die Medien sich trotz der Verlagerung in Richtung Online-Medien nicht ausreichend um die Monetarisierung des Online-Geschäfts bemüht haben. Die Medienlandschaft wird unübersichtlicher, der Markt größer. Immer noch finanzieren sich die Medien über das Anzeigengeschäft. Dies kann aber im Web 2.0-Zeitalter besten Falls einen Teil des Erlöses ausmachen. Die klassischen Medien haben noch kein passendes Erlösmodell gefunden, denn die Online-Werbeinnahmen sinken und scheinen ein Privileg von Google zu bleiben. Paid-Content kann hier keine Lösung des Problems sein, denn auch so schafft man den Wandel nicht, selbst wenn die Bereitschaft hierzu vorhanden wäre.

Es zeigt sich, dass die Nutzer schneller sind als die Medienmacher. Zum ersten Mal können die Nutzer bestimmen, was sie möchten. Wie Richard Gutjahr in seinem Vortrag treffend festgestellt hat, waren die Suchmaschinen die ersten, die gefragt haben „Was willst Du?“. Während TV, Radio und Print (ausgenommen von seltenen Leserbriefen) dies nicht tun. Das Internet bietet einen Raum zur Kommunikation, zur Interaktion. Der Rückkanal ist genau das, was den klassischen Medien fehlt.

Aus Sicht der User, sei es aus privater oder aus Unternehmenssicht, empfiehlt sich ein Medien- und Kommunikationsmix. Nicht nur auf Social Media und Online-Medien setzen, aber offen bleiben und sich dem Wandel nicht zu verschließen scheint mir die Devise zu sein. Denn aus der Diversifikation erzielt man eine Nutzenmaximierung für sich persönlich, aber auch für’s Unternehmen.

Die Verlage sollten schleunigst dem Bedarf der Customization ein effizientes Erlösmodell entgegensetzen. Und die Medienmacher müssen sich öffnen. Den Dialog mit der Zielgruppe suchen und sich öffnen. Starres Festhalten an Quellen und Ressourcen kann nicht mehr der richtige Weg sein, der Dialog mit den Nutzern muss gesucht werden. Und hierbei kann ich Richard Gutjahr nur beipflichten und nichts hinzufügen:

„Erst wenn wir dazu übergehen, nicht mehr zwischen neuen und alten Medien zu unterscheiden, wenn beide Welten zu einer Einheit verschmelzen, dann haben wir den Wandel vollzogen. Erst dann sind wir tatsächlich im neuen Medienzeitalter angekommen.“

Comments
2 Responses to “Klassische Medien vs. Social Media”
  1. Daniela sagt:

    Der Artikel spiegelt genau meine Meinung und meine Erfahrungen wider. Ich habe darüber auch erst gestern einen Blogartikel verfasst: http://www.bewerberblog.de/?p=2237

  2. Christian Stegelmann sagt:

    Ein interessanter Artikel. Ich denke auch, dass die klassischen Medien die Entwicklung ein Stück weit verschlafen haben. Es bleibt abzuwarten, ob sich in dieser Richtung etwas verändert. Einstweilen scheint das öffentlich rechtliche Fernsehen aber lieber damit beschäftigt zu sein, rund 40 Mil. Euro in ein neues Nachrichtenstudio zu investieren, als in neue Kommunikationswege mit ihren Zuschauern.

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