“Branding” ist nicht “Marketing”

Kriegler_1_300_4cHeute im Interview: Wolf-Reiner Kriegler, der geschäftsführende Gesellschafter der DEBA, der Deutsche Employer Branding Akademie GmbH aus Berlin.

Reiner Kriegler wagt einen Rückblick in das Jahr 2010 und einen Ausblick zum Employer Branding und Personalmarketing der Zukunft.

Das Jahr 2010 hat viel Bewegung in der Wahrnehmung der Themen Personalmarketing und Employer Branding gebracht. Auf was führst Du dies zurück?

Eigentlich ganz profan auf die wieder auflebende Konjunktur. Die meisten Unternehmen investieren in Employer Branding und Personalmarketing, wenn der Druck in der Recruiting-Pipeline steigt. Das ist nicht unbedingt klug, aber auch kein rein deutsches Phänomen.

Im Vergleich zu 2006 und 2007 konnten wir jedoch zwei feine Unterschiede beobachten: Es gibt immer mehr Unternehmen, die weitsichtig genug sind, die Entwicklung einer Arbeitgebermarke antizyklisch anzugehen. Wer die Ruhe in 2009 und 2010 genutzt hat, um sein strategisches Fundament zu legen und den eigenen Arbeitgeberauftritt “markenfit” zu machen, der steht jetzt in der Pole Position – und kann ganz entspannt zur fröhlichen Jagd auf die Talente blasen. Halali.
Der zweite Unterschied: Einige Arbeitgeber haben die Krise genutzt, um den Blick nach innen zu richten. Recruitingschwache Zeiten sind gut geeignet, um die eigene Arbeitgeberpositionierung intern zu implementieren, sie kulturell stärker zu fundieren, in das Führungsverhalten zu integrieren oder im HR-Portfolio besser zu verankern.  Das war 2007 noch nicht der Fall. Kein Wunder, existiert das Konzept des sogenannten Internen Employer Brandings in strukturierter Form doch erst seit Anfang 2008.

Bei der richtigen Definition des Begriffs Employer Branding scheiden sich häufig die Geister. Wie definierst Du Employer Branding? Und wie nimmst Du die derzeitige Entwicklung beim Employer Branding wahr?

Richtig, mittlerweile kann man so einige Employer Branding Definitionen nachlesen. Die meisten fassen das komplexe Thema sehr eng. Einige sind schlicht haarsträubend. Für mich als Markenexperte ist das manchmal etwas rätselhaft. Denn aus markenfachlicher Sicht gibt es nicht viel Spielraum, um Employer Branding zu definieren. Was viele, auch Berater und sogenannte Experten, verwechseln: “Branding” ist nicht “Marketing”. Die Frage, ob Employer Branding ein Teil des Personalmarketings ist oder umgekehrt, die mir immer wieder von Personalmarketing-Fachleuten gestellt wird, ist für Markenfachleute obsolet. Der Weg zur Arbeitgebermarke setzt viel früher an, ist viel tiefer in Organisation und Management verankert und umfasst deutlich mehr Aktionsfelder als das Personalmarketing. Dafür wirkt es auch ungleich breiter und intensiver und kann Wirkungspotenziale aktivieren, die mit Personalmarketing alleine nicht zu erreichen sind.

Wer Arbeitgebermarke werden will, muss sich der hohen Kunst des Markenaufbaus und der Markenpflege verschreiben. Und da geht es in erster Linie nicht, und auch später in der Prozesskette nur zum Teil um Personalmarketing. Employer Branding ist – genau wie Corporate Branding – ein Prozess der Organisationsentwicklung. Es ist zuerst ein Thema von Strategie und Management, dann von Kultur und Werten. Erst danach ein Thema des Marketings oder der Kommunikation. Wirklich effektive Arbeitgebermarken entstehen immer aus dem Inneren des Unternehmens und sind im organisationalen Leben gut verankert. Und vor allem: Sie müssen einen Unterschied machen. Denn das ist – in aller Kürze – die Definition von “Branding”: Profilieren und Differenzieren. Ein Blick in die Stellenmärkte und auf die Karriereseiten der Arbeitgeber zeigt, dass die Frage nach dem Unterschied noch nicht sehr häufig beantwortet wurde. Auch wenn die Verantwortlichen das trotzdem gerne Employer Branding nennen, sind diese Unternehmen auf ihrer Reise in das verheißungsvollen Land der Arbeitgebermarke noch nicht weit gekommen. Meine Mutter würde sagen: Da kannst Du Dich auf den Kopf stellen und mit den Beinen wackeln, es ist einfach so. Auch schön: Da beißt die Markenmaus einfach keinen Faden ab.

Eigentlich braucht es keine Employer Branding Definition, wenn man die Grundprinzipien der Markenführung verinnerlicht hat. Und die haben viel von gesundem Menschenverstand. Da Definitionen dennoch nützlich sind, um ein gemeinsames Begriffsverständnis zu etablieren, haben wir 2006 eine vorgelegt. Sie lautet in der Kurzform …

Employer Branding ist die identitätsbasierte, intern wie extern wirksame Entwicklung und Positionierung eines Unternehmens als glaubwürdiger und attraktiver Arbeitgeber.

Und die Langfassung fährt fort …

Kern des Employer Brandings ist immer eine die Unternehmensmarke spezifizierende oder adaptierende Arbeitgebermarkenstrategie. Entwicklung, Umsetzung und Messung dieser Strategie zielen unmittelbar auf die nachhaltige Optimierung von Mitarbeitergewinnung, Mitarbeiterbindung, Leistungsbereitschaft und Unternehmenskultur sowie die Verbesserung des Unternehmens­images. Mittelbar steigert Employer Branding außerdem Geschäftsergebnis sowie Markenwert.

Viele Experten und Unternehmen sprechen in letzter Zeit häufig davon, Unternehmen müssen authentisch sein. Was ist für Dich ein authentisches Unternehmensbild?

Wenn das Bild, das ein Unternehmen seinen Bezugsgruppen nach außen vermittelt, mit dem Bild übereinstimmt, dass die Mitarbeiter von ihm haben. Authentisch kann also auch ein Unternehmen sein, in dem nicht alles nur eitel Sonnenschein ist, das im Außenauftritt aber auch nichts anders vorgaukelt.
Im Employer Branding ist es immer von Vorteil, nicht zu beschönigen. Nicht nur weil Unehrlichkeit zu enttäuschten Erwartungen führt, was sich schnell in Fluktuation oder Krankenstand niederschlägt. Sondern auch weil echte Marken ohnehin nicht um alles und jeden zu werben versuchen und viel versprechen wollen. Es gibt Karriereseiten, in denen sich Arbeitgeber als eierlegende Wollmilchsäue präsentieren. Auch wenn das alles stimmt, auch wenn das Unternehmen ein echter “Great Place to Work” ist, macht es das noch nicht zur profilierten Arbeitgebermarke.
Authentisch ist man eigentlich immer dann, wenn man auch mal Ecke und Kante zeigt. Das gibt Profil und macht den feinen Unterschied. Dann ist man wirklich eine “Marke”. Ein schönes Beispiel habe ich in Österreich erlebt: Die Mitarbeiter sagen unisono: “Hier musst Du zwei Euro in der Tasche haben.” Warum? Um Kollegen zum Kaffee einzuladen, um an die Informationen zu gelangen, die sie brauchen, um ihren Job zu machen. Das Unternehmen stellt diese Informationen nicht systematisch zur Verfügung. Ein strukturelles Defizit, sicher. Doch es prägt das Arbeitgebererlebnis und die Kultur. In seiner Arbeitgeberpositionierung sagt das Unternehmen daher unter anderem: “Die Dinge in die Hand nehmen, sich selber seine Wege suchen …” – das ist mutig und ehrlich. Und macht klar, wer dorthin passt: Menschen, die beharrlich sind und Biss haben. Die das als Freiraum begreifen und ihn nutzen. Diese Menschen sind dort glücklich und laufen zu Bestform auf. Win-Win. Extrem authentisch und extrem effektiv. Die Effektivität der Ehrlichkeit.

In diesem Zusammenhang wird auch der Arbeitgeberattraktivität eine immer größere Rolle zugedacht. Was versteht Du unter Arbeitgeberattraktivität? Und warum ist es für die Unternehmen dann auch wichtig, an Ihrer Arbeitgeberattraktivität in den nächsten Jahren zu arbeiten?

Wie wäre es mit einer einfachen Formel …

Arbeitgeberattraktivität = Arbeitgeberqualität + Arbeitgeberimage

Die Arbeitgebermarke ist das zentrale Steuerungsinstrument, um beide Seiten in glaubwürdiger Balance zu halten und der Organisation Richtung zu geben – auf Basis einer strategisch fundierten, identitätsbasierten und glaubwürdigen Positionierung.

Es reicht nicht, ein excellenter Arbeitgeber zu sein, um attraktiv zu wirken. Gute Weiterbildung, angemessene Vergütung, fairer Umgang, Familienfreundlichkeit, attraktive Aufgaben & Co. sind heutzutage doch Hygienefaktoren. Sie sorgen nicht für Zufriedenheit, Bindung oder Leistung. Sie dürfen nur nicht fehlen. Unternehmen investieren viel in solche Qualitätsfaktoren, um ein “attraktiver Arbeitgeber” zu werden. Doch ab einem gewissen Qualitätsgrad sinkt der Nutzen der Investition erheblich. Denn die “harten” Faktoren der Arbeitgeberqualität sorgen nicht für ein besseres Bild (Image). Sie machen den Arbeitgeber nicht attraktiv – aber unattraktiv, wenn sie fehlen.

Jüngst habe ich darüber mit Frank Hauser vom Great Place to Work Instituts philosophiert. Das war inspirierend. Ich bin der Meinung, dass es völlig ausreicht, wenn ein Unternehmen in den Messdimensionen von “Great Place to Work” etwa 60 bis 70% erreicht und darüber hinaus nur in einzelne Faktoren gezielt weiter investiert. In welche, das beantwortet seine Positionierung, also die strategische Ausrichtung der Arbeitgebermarke. So entwickelt sich der Arbeitgeber gezielt weiter, spart viel Geld und wird schneller prägnanter und unterscheidbarer.
Auf der anderen Seite reicht es nicht, ein famoses Arbeitgeberimage zu haben, aber eine rückständige Arbeitgeberqualität.

Was verstehe ich unter Arbeitgeberattraktivät? Ich versuche es mal so: Attraktiv ist ein Arbeitgeber immer dann, wenn er für etwas steht, eine klare Position vertritt, das nach außen deutlich macht und innen wirklich lebt.

Ganz entscheidend dabei: Es sollte nie darum gehen, für alle attraktiv zu sein, sondern immer nur für genau die Menschen, die zu einem passen und die man wirklich will. So entstehen Gemeinschaften, die überdurchschnitt stark sind und gemeinsam mehr erreichen.

In den letzten zwei Jahren ist Social Media in die Aktivitäten des Personalmarketings und Employer Brandings eingezogen. Wie siehst Du diese spezielle Entwicklung der Employer Brands im Social Web?

Eine logische Folge der technologischen Entwicklung. Sie ist mit vielen Chancen verbunden, wenn die Unternehmen verstehen, dass das soziale Netz nicht einfach ein neues Medium, ein neuer Kommunikationskanal ist, sondern eine neue Dialogform mit eigener Kommunikationskultur.

Weil das gar nicht so einfach ist, setzen die meisten Arbeitgeber derzeit auf Tools, die sie noch relativ gut steuern können: Fanpages, Blogs usw. Dort sind die “Gastgeber” für die Zielgruppen, sie laden zu sich ein. Die eigene Social Web Reputation wird dort jedoch nicht maßgeblich zu prägen, geschweige denn zu beeinflussen sein. Um das zu schaffen, müssen die Arbeitgeber “zu Gast” in den Foren der Zielgruppen sein. Damit das gelingt, bedarf es Strategie und Ziele, der Definition von Zielräumen sowie Themen und ein regelmäßiges Monitoring.
Die “Gastgeber-Gast-Metapher” entstand übrigens in einem sehr spannenden Forschungscolloquium von DEBA und Prof. Martin Grothe von complexium. Wir haben uns zusammen auf die Suche begeben nach einer “Blaupause” für die Navigation von Arbeitgebermarken im Social Web.

Was wird aus Deiner Sicht im kommenden Jahr 2011 die Experten und Unternehmen beim Thema Personalmarketing am meisten beschäftigen?

Mehr Nachhaltigkeit im Employer Branding, eine bessere Verankerung der Arbeitgebermarke im Unternehmen und – aber das eher in den Jahren danach – die Professionalisierung im “hunt for experience”. Also mehr Augenmerk auf die Gewinnung von berufserfahrenen und älteren Mitarbeitern.

Die Krise wird auch dazu führen, so glaube ich, dass viele Arbeitgeber, die in der Vergangenheit eher operativ fokussiert waren, nochmal innehalten oder sogar einen Schritt zurück machen. Einige werden nachjustieren, nachträglich ein strategisches Fundament unterlegen, ihre langfristigen Ziele reflektieren und sich über entsprechende Erfolgskennzahlen mehr Gedanken machen.
Wenn ich die Seminare, Vorträge und Gespräche der letzten Monate Revue passieren lasse, dann erlebe ich einen Bewusstseinswandel und einen erstaunlichen Qualitätsschub im Thema. Gerade im Mittelstand haben die Entscheider viel verstanden: Die internen Effekte des Employer Brandings sind ihnen sehr wichtig geworden, häufig sogar wichtiger als als die Außenwirkung. Und wenn man den Unterschied zwischen Employer Branding und Personalmarketing erklären will, schmunzeln sie und schauen auf die Uhr. Das war 2008 noch ganz anders. Ich staune und freue mich darüber.

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  1. […] Quellen: Wolfgang R. Kriegler, Praxishandbuch Employer Branding – Mit starker Marke zum attraktiven Arbeitgeber werden „Branding ist nicht Marketing“: http://www.personalmarketingblog.de.obed.orgidea.de/branding-ist-nicht-marketing […]



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