Wie erreichen wir die Azubis von morgen? Interview mit McDonald’s Personalvorstand Wolfgang Goebel – Teil 2
In der letzten Woche hat Ihnen im ersten Teil des Interviews der McDonald’s Personalvorstand Wolfgang Goebel schon ein wenig aufzeigen können, wie die Auszubildenden von heute so ticken. Im heutigen zweiten Teil geht es auch um das Informationsverhalten der jungen Generation. Viel Spaß wünsche ich Ihnen.
In der Studie hat sich auch noch einmal bestätigt, dass die Gastronomie und die dazugehörigen Berufe nicht zu den attraktiven Branchen der Zielgruppen gehören. Haben Sie bei McDonald’s daher schon aufgegeben oder wie schaffen Sie es, Ihre Branche und vor allem den Ausbildungsanbieter McDonald’s attraktiver zu machen?
Arbeiten in der Gastronomie ist sicherlich nicht für jeden ein Traumjob. Dennoch kämpfen wir auch mit vielen Vorurteilen. Hier gilt es, diese mit realen Tatsachen aus dem Weg zu räumen und auf die Vorteile hinzuweisen. Speziell bei McDonald’s bedeutet das, dass wir die Vorzüge unserer Arbeitsplätze noch bekannter machen wollen, wie z.B. sehr gute Karriereperspektiven, eine verlässliche und faire Vergütung auf Tarifbasis sowie ein umfassendes Aus- und Weiterbildungsangebot.
Bei den Informationsquellen der jungen Generation liegen auch weiterhin Gespräche mit Eltern, Freunden und Bekannten sowie mit Lehrern ganz weit vorn. Wie kann es einem Unternehmen daher gelingen diese wichtigen Multiplikatoren besser zu erreichen?
Man muss sich bewusst sein, dass nicht nur eine Zielgruppe angesprochen werden sollte – sondern viele verschiedene, die den potentiellen Auszubildenden in seiner Wahl beeinflussen. Nun wissen wir, dass hier vor allem die Eltern eine entscheidende Rolle spielen. Um sie zu erreichen, müssen Inhalte, Tonalität und Kanäle in der Recruiting Kommunikation erweitert werden. In der laufenden Azubi-Kampagne haben wir Eltern erstmals als eigenständige Zielgruppe angesprochen.
Die Recherche im Internet liegt ebenso weit vorne. Dagegen scheinen Jobmessen, die Arbeitsagentur, Zeitschriften und Magazine deutlich weniger genutzt zu werden. Wie kann sich daher ein fortschrittlicher Arbeitgeber im Internet heute ideal präsentieren? Sind Sie mit dem Azubiportal bei McDonald’s schon auf dem richtigen Weg?
Unsere neue Ausbildungswelt ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wir stellen mit einem hohen Bewegtbild-Anteil sicher, dass wir authentisch, unterhaltsam und damit absolut zielgruppengerecht kommunizieren. Unsere Studie hat uns in der Entscheidung bestätigt, den Fokus in der aktuellen Ausbildungskampagne stringent auf Online-Kanäle zu legen. Erste Auswertungen der Nutzerzahlen bestätigen dies. Die gute Resonanz führen wir aber auch auf die hohe Interaktivität zurück, die unser Portal bietet: Vielfältig aufbereiteter Content steht den Nutzern in Form von Videos, FAQs oder z.B. einem individuellen Karriereplaner zur Verfügung. So verbinden wir Infotainment und Dialog.
Die sozialen Medien, wie Facebook werden bisher auch als wenig hilfreich angesehen. Woran liegt dies aus Ihrer Sicht? Wollen die jungen Leute die sozialen Netzwerke nur privat nutzen oder sind die Arbeitgeber einfach noch nicht „social-media-reif“? Jetzt frage ich Sie als Blogger. Wäre bspw. ein Blog mit einem Angebot zur Peer-to-Peer-Kommunikation der Ausbildungsgeneration eine sinnvollere Alternative?
Die junge Generation kennt den Umgang mit sozialen Netzwerken vornehmlich aus dem privaten Bereich. Dass man sich auch beruflich dort vernetzt oder recherchiert, ist einerseits momentan noch eher unüblich, andererseits ist auch das Informationsangebot noch im Aufbau. Ich gehe davon aus, dass sich dies in Zukunft ändern wird und damit auch die Ausbildungskommunikation in sozialen Netzwerken zunimmt. Dafür müssen sich aber Arbeitgeber umstellen und die Entwicklung stärker forcieren, dass Jugendliche diese Angebote auch nutzen. Ob dies nun über Facebook, einen Blog oder einen anderen Kanal erfolgt, ist dem Unternehmen überlassen.
Kommen wir zu den Schlussformulierungen der Studie zur Verbesserung der beruflichen Ausbildung. Die Ausbildungsgeneration lässt sich derzeit kaum auf langfristige Planungen ein und möchte das „Wann“ und „Wie“ ihrer Karriere stark mitbestimmen. Wie können Unternehmen heute auf diese veränderten Anforderungen „gut“ reagieren?
Eine flexible Karriereleiter trägt sicher dazu bei, dieser Generation entgegenzukommen. Ich denke aber, entscheidend ist es, den Azubis bzw. Mitarbeitern auf jeder Stufe dieser Leiter passende Entwicklungsmöglichkeiten bieten zu können. Die Bewerbergeneration möchte das Gefühl haben, an jeder Stelle die optimale Entscheidungsfreiheit zu haben. Starre Beförderungsstufen sind damit ein Auslaufmodell geworden.
Insbesondere sollte die Berufsorientierung stärker in den Schulen verankert werden und die Berufswahl so auch sorgfältiger vorbereitet werden. Doch wie kann dies in der Praxis aussehen? Was können Arbeitgeber wie McDonald’s in der heutigen Schullandschaft überhaupt anbieten?
In der Praxis sollten Wirtschaft und Schulen noch früher zusammenarbeiten und einen regelmäßigen Austausch pflegen. Wir engagieren uns deshalb im Netzwerk SchuleWirtschaft und bieten Schülern Praktika an, um bei uns hineinzuschnuppern und auszuprobieren, ob eine Ausbildung bei uns das Richtige für sie sein könnte.
Ebenso ist eine Empfehlung der Studie, die Kreativität der Berufsbildungseinrichtungen anzuregen. Wie könnte so etwas schon in der Praxis in Bezug auf Teamstrukturen und eine verbesserte Einbeziehung der Auszubildenden aussehen? Und wie kann ein Ausbildungsunternehmen heute den persönlichen Faktor seiner Ausbildung noch besser ausspielen?
Der persönliche Faktor der Ausbildung hängt eng mit der Qualität und Eignung des Ausbilders zusammen. Neben der fachlichen Qualifikation ist ausschlaggebend, dass der Ausbilder auch über die sozialen Kompetenzen verfügt, seine Auszubildenden optimal betreuen zu können. Eine verbesserte Einbeziehung der Azubis meint speziell das Übertragen von Verantwortung bzw. Aufgaben, bei denen der Auszubildende seine Fähigkeiten eigenverantwortlich einbringen soll. Die reine Vermittlung von Fachkenntnissen wird grade zu Beginn der Ausbildung zu stark in den Vordergrund gestellt.
Zur letzten Frage: Wenn Sie heute noch einmal im Ausbildungsalter wären, was müsste dann aus Ihrer Sicht ein Ausbildungsbetrieb für Sie persönlich auf jeden Fall bieten können um in die engere Auswahl zu kommen?
Die größtmögliche Sicherheit, nach der Ausbildung übernommen zu werden sowie ein abwechslungsreiches und verantwortungsvolles Tätigkeitsfeld.
Herr Goebel, vielen Dank nochmals für das sehr umfangreiche Interview mit vielen tollen Einblicken in die Welt der Azubis und einigen spanennden Anregungen für unsere Leser.
Hallo Herr Altmann,
natürlich haben wir, als Unternehmen, nicht unbedingt einen Aufklärungsauftrag (wie die Schulen oder Eltern). Es hindert uns jedoch nicht daran, den Jugendlichen „was mit auf dem Weg zu geben“.
Konkret sieht es bei uns so aus, dass wir einmal im Monat in die Schulen gehen und Vorträge halten. Am Anfang einer solchen Veranstaltung fragen wir die Klasse, was sie mit dem Berufsleben verbinden, was sie von einem Job/Ausbildung erwarten und was sie glauben wie ein Tag oder eine Woche aussieht. Das bringen wir an die Tafel und greifen es später auf. Zum Einen holen wir damit die Jugendliche dort ab, wo sie gerade stehen und beziehen sie gleich mit ein: mit ihren Träumen, Wünschen und Vorstellungen. Zum Anderen machen die Schüler überhaupt mit und sehen die Veranstaltung nicht als netten Zeitvertreib an, gemäß dem Motto: „Ach heute ist ja nichts los, nur irgendeine Präsentation von Irgendwem“
Im Anschluss berichtet einer unserer aktuellen Auszubildenden aus der erlebten Praxis von Ausbildung und dem „Leben“ in der Arbeit (Vor- UND Nachteile), der Personaler ergänzt ab und zu und verweist auf die Wichtigkeit von Schule, Noten und Praktikas. Am Ende einer jeden Veranstaltung (nur 15 % der Zeit) zeigen wir ein Image-Video und stellen unsere Ausbildungsgänge kurz vor. Mehr nicht. Für weitere Informationen, stehen wir den Schülern für Fragen zur Verfügung, welches sehr gut angenommen wird. Am Ende einer jeden Veranstaltung kommen die Lehrer auf uns zu und bedanken sich mit der allgemeinen Aussage: „Wir, Lehrer und die Eltern, können tausend mal predigen und fordern. Wenn aber ein Unternehmen aus der Praxis berichtet und das mit einem aktuellen Auszubildenden, so hat das eine viel größere Wirkung und die Schüler hören aufmerksamer zu und beteiligen sich sogar“.
Wir halten nicht so viel davon, sich auf überlaufenden und den Schülern verordneten Ausbildungsmessen hinzustellen und zu erzählen wie toll wir sind und den Schülern jeweils 5 Flyer, 3 Kugelschreiber und 1 Mappe in die Hand zu geben. Durch „unseren“ Weg, sparen wir Kosten für Merchandising oder Standgebühren und rekrutieren kostengünstig und effektiv -lokal vor Ort-.
Am wichtigsten ist aber der Effekt des aufgebauten Vertrauens und der entstandenen Nähe zu den Schülern und potentiellen Bewerbern. Ferner leisten wir einen kleinen Beitrag der Lethargie und Unwissenheit entgegenzuwirken, indem wir -in einem ruhigen Rahmen- aufklären und motivieren. Denn wer kann das Besser, als ein Unternehmen mit aktuellen Erfahrungsberichten von Auszubildenden ?!
Beste Grüße
Jens Meier
Hallo Herr Meier,
wie würden Sie als ausbildendes Unternehmen der Lethargie der Jugendlichen begegnen?
Die EU-Bewerber wollen wir dabei im ersten Schritt mal Außen vor lassen.
LG Lutz Altmann
Ein wirklich tolles Interview, welches die Problematik der heutigen Azubi-Rekrutierung sehr gut darstellt.
Einige kritische Anmerkungen jedoch: wir beobachten leider auch eine zunehmende Lethargie der Jugendlichen. Insbesondere bei der Recherche nach -für sich persönlich passenden- Ausbildungsberufen und dem Auseinandersetzen mit der eigenen Zukunft. Die Zahl der Schulabbrecher und die, die eine Berufsvorbereitung absolvieren (müssen), ist Ausdruck dessen. Einmal in der Warteschleife der Berufsvorbereitung drin gewesen, ist der Bewerber nicht mehr so attraktiv für die Unternehmen.
Wer sich jedoch intensiv mit seiner Zukunft beschäftigt, wird i.d.R. nach dem Abitur, ein Studium beginnen. Da lauert ein weiteres Problem: Dabei vernachlässigen nämlich viele der -von der Schule kommenden- Studenten, dass sie ohne Praxiserfahrungen und mit einem durchschnittlichen Uni-Abschluss, jedoch nicht in die erhoffte Etage der Karriereleiter, einsteigen können. Folge: Zeitverlust und evtl. Depression.
Ich möchte in diesem Zusammenhang einmal unsere Erfahrungen mit der Vermittlung von EU-Bewerbern darstellen. Jeder, der bereits über 100 vermittelten EU-Bewerber auf unseren Casting-Days, hat eine wirklich bemerkenswerte Motivation und eine Vorstellung von der eigenen Zukunft. Jeder hat sich grundlegende Deutschkenntnisse angelernt und jeder kommt mehrere hundert Kilometer nach Deutschland, um sich in einem Praktikum anzubieten und um einen Ausbildungsvertrag zu erhalten. Ich möchte hier nicht weiter die Werbetrommel rühren (Mehr Infos+Video dazu unter: http://www.active-integration.de/index.php/eu-ausbildung), da ich den Aspekt der Zielgruppe „Eltern“ noch etwas kritisch beleuchten möchte.
Es ist natürlich unbestritten, dass die Eltern einen entscheidenden Einfluss auf die Berufswahl des Zöglings haben, ich weiß das aus eigener Erfahrung. Dennoch kann der „Schuss“ nach hinten los gehen: Eltern anzusprechen halte ich schon für schwierig, noch viel schwieriger ist es, sie zu überzeugen (ohne dabei zu offensiv zu werden). Meine Vermutung ist, dass Eltern, die sich intensiv mit dem Kind und dessen Zukunft auseinandersetzen, sich GEMEINSAM die Karriereseiten der Unternehmen anschauen und sich dabei in das Kind hineinzuversetzen und mit „dessen Augen“ sehen. Eine separate Zielgruppenansprache stelle ich mir daher in der Praxis, (noch) schwer vor.
Ich bin gespannt, wie das Projekt umgesetzt wird und würde mich gerne eines Besseren belehren lassen.
Beste Grüße aus dem hohen Norden
Jens Meier